Woher kommt der Hype um künstliche Intelligenz?

Vor über 100 Jahren veränderte die Elektrizität die Gesellschaft und die Wirtschaft nachhaltig. Neue Fertigungsmöglichkeiten eröffneten sich und die Produktivität konnte massiv gesteigert werden. Elektrizität stellt noch heute die Grundlage für unsere gesamte Gesellschaft dar.

Nun stehen wir wieder an einer wegweisenden Schwelle in der Entwicklung.

Künstliche Intelligenz (Artificial Intelligence) hat das Potential, unsere Wirtschaft und Gesellschaft in ähnlicher Weise zu transformieren, wie es mit Hilfe der Elektrizität geschehen ist.

Künstliche Intelligenz ermöglicht nicht nur Unternehmen aus der Softwareund Technologiebranche wie Google, Microsoft, Facebook, Amazon u.a. ein schier unendliches Wertsteigerungspotential, sondern geht weit über die klassische Softwareentwicklung hinaus. Bis zum Jahr 2030 wird ein Zuwachs zum Bruttoinlandsprodukt von 13 Billionen Dollar für Nordamerika geschätzt.

Europa hat in diesem Punkt definitiv aufzuholen, um seine Position im globalen Wettbewerb zu sichern und nicht ins Hintertreffen zu gelangen.

Warum hinkt Europa (wiedereinmal) hinter den anderen großen Wirtschaftsregionen der Welt (USA & China) her?

Europa hat, wirtschaftlich gesehen, wesentliche Nachteile gegenüber den angeführten Regionen. Auch wenn die politische Vorstellung gerne postuliert wird, dass Europa ein Einheit sei - es gibt ihn nich DEN Europäer. Europa ist eine lose Sammlung von Staaten, in der jeder davon die Vormachtstellung erreichen möchte. Aus diesem Grund gibt es keine gemeinsame Linie.

So hat Europa den Trend Cloud Computing völlig verschlafen. Es gibt keine relevante Lösung dafür aus Europa. Der große Aufhänger der DSGVO (Datenschutzgrundverordnung) brachte auch keinen Booster für die Wirtschaft. Die großen außer-europäischen Anbieter implementieren seither einfach die Vorgaben durch die DSGVO. Es kamen keine neuen, rein europäischen Anbieter dazu.

Aber warum ist das so, dass Europa oftmals den Anschluß im Zuge neuer Technologien verpasst - und dieses Phänomen am Beispiel künstlicher Intelligenz fortsetzen wird?

China hat diesbezüglich einen gravierenden Vorteil. Die Bevölkerung ist motiviert und auf maximale Leistung aus. Die zentrale Regierung kann sehr einfach Großprojekte gegen jeden Widerstand durchsetzen. Gründe, die aus politischer Sicht für Europa sicher nicht wünschenswert sind.

Doch betrachten wir im Gegenzug die USA. Durchaus mit Europa vergleichbar. Warum sind wir in Europa nicht nur der Meinung, dass uns die Konzerne aus Silicon Valley überlegen und voraus sind?

In den USA herrscht eine Kultur des Machens vor. Ideen werden ausprobiert, es kommen neue Unternehmen auf den Markt - und viele davon verschwinden wieder. Hat sich eine Idee in der Praxis bewiesen und etabliert, nimmt das Thema schnell Fahrt auf.

Europa geht diesbezüglich mental einen völlig anderen Weg. Wir meinen zum einen, neue Ideen durch Förderprogramme und staatliche Subventionen in vitro züchten zu müssen. Dies führt dazu, dass Projekte seitens der Wirtschaft und Forschung nur auf die staatlichen Förderprogramme hin ausgerichtet werden. Das zweite große Hemmnis ist die Reglementierung. Bevor eine Idee überhaupt wirtschaftliche Relevanz erreichen, müssen entsprechende Reglementierungen vorgegeben sein.

Und so blicken wir aus Europa mit dem Kopf im Sand in die Welt hinaus, erfreuen uns daran, Exportweltmeister zu sein und sehen die Chancen nicht, die an uns vorbeiziehen.

KI facts Unterschiede zwischen Europa, China und den USA

Betrachtet man aktuelle Untersuchungen, so setzen in den USA bereits 51% Prozent aller Unternehmen auf künstliche Intelligenz, in China bereits 85% Prozent. In Deutschland immerhin noch 49% und in Österreich überhaupt erst 42% Prozent.

Sieht man sich das aktuelle Strategiepapier zum Thema künstliche Intelligenz für Deutschland1 an, so könnte man meinen, es sei schon deutlich später als 5 nach 12.

Darin wird zwar auf über 40 Seiten die Thematik der künstlichen Intelligenz blumig beschrieben – Deutschland soll nicht nur Exportweltmeister, sondern auch KI-Weltmeister werden – die Antworten, wie diese Transformation geschehen soll, bleiben die Autoren des Papiers jedoch über weite Strecken hin schuldig.

Vielmehr werden Konzepte aufgegriffen, die in der Forschung schon seit Jahren als veraltet gelten – bzw. sich als nicht umsetzbar erwiesen haben.

Diese Konzepte stammen aus einer Zeit, in der man annahm, man könne das gesamte Wissen auf Regeln abbilden und auf diese Weise deduktive Expertensysteme bauen. Dieser Zugang hat sich als eindeutiger Holzweg erwiesen.

Der Leser dieses Strategiepapiers muss sich nun die Fragen stellen: Sollen in Deutschland nun auf Basis dieser Strategievorgabe, Forschungsvorhaben von öffentlicher Hand finanziert werden, bei denen schon von vornherein klar ist, dass sie in eine Sackgasse führen bzw. nicht gebraucht werden?

Die Fortschritte in den letzten Jahren im Bereich Deep Learning zeigten, dass (tiefe) neuronale Netze anderen Algorithmen in praktisch allen Anwendungsgebieten ebenbürtig oder überlegen sind. Deep Learning oder auch tiefe neuronale Netze stellen jedoch in besagtem Strategiepapier kein wesentliches Element dar und fristen nur ein Schattendasein.

Ansgar Hinz der Vorsitzende des Verbands der Elektrotechnik, Elektronik und Informationstechnik (VDE) meint in Bezug auf den Einsatz von künstlicher Intelligenz in Deutschland überhaupt: „Der Abgesang auf den Industriestandort Deutschland hat begonnen“. Seiner Meinung nach hat Deutschland in diesem Gebiet bereits den Anschluss an China und die USA verloren. Auch die Zahlen im aktuell veröffentlichten Bericht vom VDE sprechen für sich: 60% aller weltweit angemeldeten Patente aus dem Bereich künstlicher Intelligenz stammen aus den USA – dicht gefolgt von China. Weitere Vorreiter in diesem Bereich sind Japan, Israel und Korea.

Der VDI (Verein Deutscher Ingenieure) befragte unter seinen Mitgliedern 700 Ingenieure nach deren Einschätzung über Deutschland als Wirtschaftsstandort in Hinblick auf KI. Nur noch 14% der Befragten sehen in dieser Umfrage im Jahr 2019 Deutschland in einer guten Position. Fast zwei Drittel der Befragten sehen massive Probleme, in Deutschland entsprechend kompetente Fachkräfte engagieren zu können.

Künstliche Intelligenz ist ohne Zweifel in der Lage, in der Produktion deutliche Kostensenkungen und Produktivitätszugewinne zu generieren. Fehlen in diesem Bereich kompetente Mitarbeiter, die eine Umsetzung von KI ermöglichen, so stellt dieses Fakt allein schon einen massiven Nachteil für die deutsche Wirtschaft dar.

Doch wie das Strategiepapier von Deutschland zeigt, fehlen die Experten scheinbar nicht nur in der Wirtschaft, sondern auch in der Politik. Sich aus Unternehmenssicht darauf zu verlassen, dass die Politik diesbezüglich die Weichen für die Zukunft richtig und rechtzeitig stellen wird, erscheint vor diesem düsteren Hintergrund als denkbar schlechte Strategie.

Vielmehr liegt es an den Unternehmen selbst, diese Transformation, die durch künstliche Intelligenz ermöglicht wird, zu initiieren und gestalten. Nur so kann Europa seinen Platz in der Weltwirtschaft sichern.

Wir möchten versuchen, in den folgenden Texten einen möglichen Pfad für Führungskräfte aufzuzeigen, wie Unternehmen erfolgreich die KI-Transformation meistern und von der innovativen Technologie profitieren können.

  1. https://www.bmbf.de/files/Nationale_KI-Strategie.pdf