Aufgrund des aktuellen Hypes rund um künstliche Intelligenz, wird diese häufig über- oder unterschätzt. Wichtig ist, unterscheiden zu können, was KI kann und was nicht.

Insbesondere bei KI-Pilotprojekten sollte vor Beginn des Projekts eine „technische Due-Diligence-Prüfung“ durchgeführt werden und das Projekt auf Machbarkeit hin untersucht werden. Dieser Prozess kann wenige Tage bis Wochen in Anspruch nehmen, liefert jedoch wertvolle Hinweise in Hinblick auf eine seriöse Erwartungshaltung.

Wird künstliche Intelligenz überschätzt, besteht oft der Glaube, es könne jedes Problem mittels KI gelöst werden. Diese falsche und übersteigerte Erwartungshaltung führt dann zu Misserfolgen. Diese können dazu führen, dass das Pendel in die Gegenrichtung ausschlägt und KI für ein reines Buzzword gehalten wird, das keinen Mehrwert liefern kann.

Unterstützt wird eine falsche Erwartungshaltung zusätzlich durch die Berichterstattung in populär und akademischer Literatur, die nur von erfolgreichen Projekten berichtet. Misserfolge werden selten publiziert.

Eine Daumenregel für die Umsetzbarkeit mittels künstlicher Intelligenz

Eine Daumenregel in Hinblick auf die mögliche Leistungsfähigkeit von künstlicher Intelligenz lautet:

Mittels Supervised-Learning-Algorithmen können jene Problemstellungen leicht gelöst werden, die auch von menschlichen Anwendern in wenigen Sekunden oder Augenblicken entschieden werden können.

In der Produktion kann ein Mitarbeiter sehr schnell entscheiden, ob das produzierte Gut verkauft werden kann oder während des Produktionsprozesses beschädigt wurde und daher als Ausschuss zählt. Diese Entscheidung kann auch mittels künstlicher Intelligenz zuverlässig implementiert werden.

Eine umfassende Marktanalyse in Hinblick auf das Potential für ein neues Produkt zu erstellen ist jedoch eine Aufgabe, für die auch ein erfahrener Mitarbeiter einige Zeit zur Umsetzung benötigt. Diese Aufgabenstellung ist mit heutiger KI-Technologie nicht oder nur wenig zufriedenstellend zu erledigen.

Ein anderes Beispiel ist die automatisierte Antwort auf Kunden-Mails.

In diesem Fall könnten wir wahrscheinlich ein KI-System bauen, das einigermaßen plausible Antworten generiert, wenn ausreichend viele Daten zur Verfügung stehen. Das System bekäme als Input den Text der E-Mail vom Kunden und liefert als Output den Text für die Antwort.

Die künstliche Intelligenz wird wahrscheinlich herausfinden, dass der Text „Vielen Dank für Ihre Anfrage” in sehr vielen Antworten enthalten ist. Daraus leitet das System ab, dass dieser Text mit hoher Wahrscheinlich in vielen Situationen adäquat erscheint.

Grundsätzlich kein schlechter Ansatz, doch im täglichen Einsatz wird dieses System unbrauchbar sein. Im Gegenteil, da ohnehin schon verärgerten Kunden keine Lösung zu ihrem Problem angeboten wird, werden diese noch mehr verärgert sein.

Auch hier kann man die oben genannte Daumenregel anwenden. Jeder, der schon einmal in der Lage war, unangenehme E-Mails von Kunden beantworten zu müssen, so dass der verärgerte Kunde am Ende zu einem zufriedenen Kunden wird, weiß wie schwierig die Formulierung einer derartigen E-Mail ist.

Dies ist keine Aufgabe, die von einem menschlichen Anwender binnen weniger Sekunden erledigt werden kann.

Geht es jedoch nur um die Klassifizierung von E-Mails – also darum, ob es sich um eine Reklamation, eine Bestellung, eine Angebotsanfrage, etc. handelt – kann die Aufgabe von einem Menschen sehr schnell erledigt werden.

Und in der Tat kann auch ein KI-System diese Aufgabe recht rasch und zuverlässig durchführen. Auch hier zählt wieder die Daumenregel, dass auch ein Mensch diese Aufgabe sehr schnell lösen könnte.

Auch wenn künstliche Intelligenz die Gesellschaft so verändern wird, wie es vor langer Zeit die Elektrizität tat, ist noch lange nicht jede Aufgabe mittels künstlicher Intelligenz lösbar.

Während ein System für autonomes Fahren heute sehr gut navigieren kann und Fahrzeuge sicher durch den Straßenverkehr navigiert, wird es sehr schlecht in der Interpretation von Gesten anderer Verkehrsteilnehmer sein.

Die Geste an sich kann mittels Bilderkennung erkannt werden, doch wird KI in einer überwiegenden Anzahl an Fällen bei der Interpretation scheitern.

Zur Schwierigkeit dieser Aufgabe trägt die hohe Anzahl möglicher Gesten und Absichten dahinter bei. Der Radfahrer, der die linke Hand hebt, zeigt an, dass er links abbiegen möchte. Der Autofahrer, der die linke Hand hebt, möchte möglicherweise seinen Unmut über andere Verkehrsteilnehmer ausdrücken.

Gleichartige, wiederkehrende Aufgaben können sehr gut durch KI unterstützt werden.

Künstliche Intelligenz im medizinischen Umfeld

Im medizinischen Umfeld etwa ist die Auswertung bildgebender Diagnostik eine Aufgabe, die heute schon im großen Stil durch künstliche Intelligenz unterstützt wird.

Ein KI-Team sollte relativ leicht eine Software bauen können, die eine Lungenentzündung auf Röntgenbildern diagnostizieren kann.

Eine weitaus schwierigere Aufgabe wäre, ein System zu entwickeln, das mithilfe eines medizinischen Buchs auf Basis von einigen wenigen Bildern und Texten lernt, Lungenentzündungen selbstständig erkennen zu können.